Premiere im Theater Paderborn. Unser Autor Erhard Hofmann hat sich das Stück angesehen. Hier sein Resümee.
Minetti, Pönitz, Tölke, Berenz foto: Ch. Meinschäfer |
Das ist der Stoff, aus dem der Held Leonce und sein Kumpan Valerio in Georg Büchners „Leonce und Lena“ gemacht sind. Am ungewohnten Mittwochabend hatte diese ungewöhnliche Stück Premiere in Paderborns Studio. Mit viel Schwung, Pfiff und einer gehörigen Portion Schalk im Nacken machte der Regisseur Jan Langenheim aus einer politischen Satire aus der Zeit des Vormärz eine Persiflage auf unsere moderne, von allerlei Absurditäten und Sinnlosigkeiten geprägte Zeit.
Gesetzt ist die Inszenierung in die 80er Jahre, in die Zeit des Punks als hedonistisches Lebensgefühl, durchgestylt mit starken Anklängen an die Mode der damaligen Stilikone Vivienne Westwood. Die Kostüme sind entsprechend schrill, bunt und eklektisch (Kostüme: Veronika Bleffert, Maske: Ulla Bohnebeck und Ramona Foerder), die von Thies Mynther arrangierte und adaptierte Musik ebenfalls vornehmlich aus dieser Zeit.
Zentrales Bühnenelement, konzipiert von Regisseur Langenheim, ist ein großer Kubus, der mal Betonwand, mal wilder tropischer urbaner Dschungel mit reichlich Plastikpflanzen ist.
Das Stück beginnt damit, dass Prinz Leonce als selbstverliebter Punk-Revoluzzer mit golden besprühten Irokesenlook (authentisch und äußert ausdrucksstark interpretiert von Robin Berenz) vor der großen Betonwand steht, und diese bespuckt, 365 Mal hintereinander will er das tun. Er wird beobachtet vom Hofmeister (Daniel Minetti, welch großartiger Mime), der dem Treiben wortlos zuschaut. „Bin ich ein Müßiggänger? Habe ich keine Beschäftigung? – Ja es ist traurig.“ Wendet er sich an den Hofmeister. „Sehr traurig“ antwortet dieser.
So rinnen die Tage in gepflegter Sinnlosigkeit dahin, allein die mehr oder weniger geistreiche Wortspiele mit seinem Diener und Kumpel Valerio (hintersinnig, Ogün Derendeli) und die sexuellen Vergnügungen mit der sinnlich-kalten Rosetta (überzeugend, Nancy Pönitz) geben ihm etwas Abwechslung. Allerdings lässt dieses furchtbar selbstbezogene Dasein Leonce gelegentlich auch in eine tief abgründige Melancholie versinken, die Todessehnsüchte in ihm weckt. Eine Wendung nimmt sein Leben erst, als sein als tragisch-komischer Regent auftauchende Vater (grandios, Max Rohland) ihm eröffnet, dass die Zeit für eine Verheiratung gekommen sei.
Das Reich, über das König Peter herrscht, ist erbärmlich klein („ein Hund, der seinen Herrn sucht, ist durch das Reich gelaufen“), seine Untertanen (in verschiedenen Rollen Nancy Pönitz, Tim Tölke, Daniel Minetti) sind kaum mehr als Marionetten, die stakkatohaft wiederholen, was der als androgyne Version von Shakespeares Titania anmutende König so von sich gibt. Seine Maxime lautet: „Der Mensch muss denken und ich muss für meine Untertanen denken“. Leider denkt er nur reichlich wenig und entscheidet noch viel weniger („vielleicht ist es so, vielleicht ist es aber auch nicht so“). Immerhin führt die Ankündigung der anstehenden Hochzeit dazu, dass Leonce die Flucht ergreift („Ein Lazzaroni! Valerio! Ein Lazzaroni! Wir gehen nach Italien“, oder: „Mailand, Madrid, Hauptsache Italien!“, Andi Möller lässt grüßen).
Nun taucht Lena (elfenhaft, Gesa Köhler) aus dem tropischen Dschungel auf, die zusammen mit ihrer Gouvernante (stilecht, Josephine Mayer) in ihrem Kleinkönigreich Pipi ein ebenso sinnentleertes Leben führt wie Leonce in Popo. Auch sie weiß mit sich und dem Leben reichlich wenig anzufangen, nur eins ist klar: heiraten möchte sie nicht. Also flieht auch sie aus ihrem kleinen Reich in die große, fremde Welt.
Nun taucht Lena (elfenhaft, Gesa Köhler) aus dem tropischen Dschungel auf, die zusammen mit ihrer Gouvernante (stilecht, Josephine Mayer) in ihrem Kleinkönigreich Pipi ein ebenso sinnentleertes Leben führt wie Leonce in Popo. Auch sie weiß mit sich und dem Leben reichlich wenig anzufangen, nur eins ist klar: heiraten möchte sie nicht. Also flieht auch sie aus ihrem kleinen Reich in die große, fremde Welt.
Dort kommt es, wie es kommen muss: Nach beschwerlicher Reise, bei der Raum und Zeit aufgelöst scheinen, finden die beiden Suchenden endlich zusammen, ohne zu wissen, wer sie eigentlich sind und was sie suchen. Als aufziehbare, mechanische Puppen lassen sie sich dirigieren, heiraten, gleiten ab in eine bürgerliche Existenz, Leonce schwadroniert von einer Zukunft in einem Land, in dem Milch und Honig fließen, und der eben zum Staatsminster gemachte Valerio verordnet per Dekret, „dass, wer sich Schwielen in die Hände schafft, unter Kuratel gestellt wird, dass wer sich krank arbeitet, kriminalistisch strafbar ist, dass jeder, der sich rühmt sein Brot im Schweiße seines Angesichts zu essen, für verrückt und der menschlichen Gesellschaft gefährlich erklärt wird“ und er setzt noch eins drauf: „und dann legen wir uns in den Schatten und bitten Gott um Makkaroni, Melonen und Feigen, um musikalische Kehlen, klassische Leiber und eine kommode Religion!“
Das Publikum nahm die Botschaft dankbar auf, spendete reichlich Applaus für Schauspieler und Regie. Manch einer war aber vielleicht auch froh, dass das Spektakel zu Ende war, denn einfach war es nicht immer, dem doch arg wortlastigen Stück zu folgen.
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