Montag, 18. Juni 2018

"Ein Brandsatz im Fleisch der Adepten"


Zum 70. Geburtstag von Wolfgang G. Vögele

 

Als Autor schreibt er für anthroposophische Publikationen wie die "Die Drei", "NNA", andere oder das Internet-Portal "Themen der Zeit". Ein größerer Lesekreis dürfte seinen Namen vor allem mit dem Sammelband „Der andere Rudolf Steiner“ verbinden, den er 2005 im Pforte Verlag Dornach herausgab. Dass dieses Werk mit teilweise kritischen Augenzeugenberichten, Satiren und Karikaturen seinerzeit heftige Kontroversen auslöste, ist heute kaum noch nachvollziehbar.

von Michael Mentzel

Der aus Mannheim stammende Autor und Journalist Wolfgang G. Vögele wird heute siebzig. Wer ihn näher kennt, weiß von seiner Umtriebigkeit und seiner Vielseitigkeit, die weit über die genannten Tätigkeiten hinausreicht. Diese Zeilen, verbunden mit den herzlichsten Glückwünschen von unserer Redaktion, sollen ein paar biografische Streiflichter setzen und über das berichten, was ihm in persönlichen Begegnungen oder Telefonaten herauszulocken war und was weniger bekannt sein dürfte. 

Als Gymnasiast gehörten Geschichte und Musik zu seinen Lieblingsfächern, so dass er diese Fächer später auch studierte. Bevor er sich ganz auf das Schreiben konzentrierte, war er einige Zeit im staatlichen und privaten Schuldienst (u.a. in Österreich) als Lehrer tätig,  

Auf musikhistorischem Gebiet publizierte er zum Thema "Mozart und Mannheim". So gelang ihm die Lokalisierung des Hauses, wo der Komponist der Familie Weber und damit seiner späteren Frau Constanze begegnete. (Vgl. Heidi Knoblich: Wo die Webers in Mannheim wohnten. Badische Zeitung, 2.8.2010) Für die nordbadischen Gemeinden Dühren und Daisbach verfasste er Ortschroniken. Archive und Museen waren weitere Betätigungsfelder. In jüngeren Jahren hat er ausgiebig gemalt und gezeichnet, er spielte mehrere Instrumente (darunter Klarinette) und komponierte auch. In diese Zeit fällt auch seine persönliche Bekanntschaft und langjährige Korrespondenz mit der Witwe Alban Bergs. Auch anderen Angehörigen des Schönbergkreises ist er noch begegnet. Seine Erinnerungen daran und ein Buchmanuskript zum Thema "Esoterik im Umkreis Arnold Schönbergs" harren noch der Veröffentlichung. Noch 1988 beteiligte er mit einem Auftragswerk des deutsch-amerikanischen Instituts Heidelberg am "Festival experimenteller Musik". 

Über anthroposophische Themen begann er erst relativ spät, nämlich im 50. Lebensjahr, zu schreiben,  wobei er sich schwerpunktmäßig mit der Biographie Rudolf Steiners und der Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft befasste. Im Lauf der Jahre entstanden zahlreiche Aufsätze und Rezensionen. Von 1999 bis 2002 war er Mitarbeiter am Rudolf Steiner Archiv Dornach.
Im Frühjahr 1998 erschien in Dornach seine ausführliche Dokumentation „Rudolf Steiner in Mannheim“, die zugleich als Vorarbeit für eine geplante Biographie von Paul Klein gedacht war. 2002 beteiligte er sich mit mehreren Artikeln an dem von Bodo von Plato herausgegebenen Biographienlexikon  „Anthroposophie im 20. Jahrhundert“.

Mit seinem Sammelband "Der andere Rudolf Steiner. Augenzeugenberichte, Interviews, Karikaturen" (Dornach 2005) brach er ein Tabu, indem er zeitgenössische Steinerkritiker ausführlich zu Wort kommen ließ. Auch die darin enthaltenen Satiren und Karikaturen überschritten teilweise die Grenze dessen, was der Otto-Normal-Anthroposoph gerade noch zu tolerieren bereit war. Das Buch wurde auch außerhalb der anthroposophischen Szene gelesen und als grundlegender Beitrag zur Steinerforschung gewürdigt. Mit dem "anderen Steiner" schien Vögele eine Zeitlang die Hitliste der anthroposophischen Sekundärliteratur gestürmt zu haben. Schon Monate vor seinem Erscheinen, so erzählt er, gingen Hunderte von Bestellungen aus dem In-und Ausland ein. Die Verkaufszahlen brachen alle Rekorde. Binnen weniger Wochen musste eine zweite Auflage erscheinen. 

Das Buch sorgte für Zündstoff in der Bewegung. Info 3 Redakteur Felix Hau verstieg sich damals gar zu dem Urteil: "Das beste Buch, das jemals über den Begründer der anthroposophischen Bewegung erschienen ist." (in: Info 3)
Orthodoxe Kreise allerdings fürchteten, dieses Buch werde zur Bibel jener werden, die Steiner banalisieren wollten. Sie ahnten nicht, dass wenig später weit radikalere "Entmythologisierer" folgen würden.

Dieses Buch sei, so Irene Diet in der Zeitschrift "Anthroposophie" (Michaeli 2005, S. 215),  "zum Zentrum einer Bewegung geworden, die es sich zum erklärten Ziel gemacht hat, die schon längst überfällig gewordene Entthronung des '‚unvollkommenen Heiligen' zu vollziehen. Und zwar endgültig. (...) nun scheint der Schritt in die Moderne endlich vollzogen..."

Um so stürmischer wurde diese "Ketzer-Anthologie" (Jens Prochnow) von den damals jungen Rebellen begrüßt, die später das Kollektivwerk "Endstation Dornach" herausbrachten. 

Unter der Überschrift "Vom Kopf auf die Beine gestellt" schrieb die "Buchrevue", das Buch stelle Steiner als Menschen aus Fleisch und Blut dar, mit Fehlern, mit Schwächen, aber es zeige auch, dass die Zeitgenossen früh spürten, "dass in ihm eine Kraft wirken wird, die ungeahnte Ausmaße entwickeln könne: "Ein mutiges Buch....ein Brandsatz im Fleisch der Adepten ..."

Zahlreiche Journalisten und historisch-kritische Wissenschaftler haben inzwischen ausgiebig aus dem "anderen Steiner" zitiert. Das gilt auch für Wikipedia-Artikel über Steiner und Anthroposophie.

2012 folgte die Sammlung „Rudolf Steiner in Anekdoten“, die Steiners Humor und seine Neigung zur Satire zeigt. Seine Bücher hat Vögele auf zahlreichen Lesungen vorgestellt, u.a. während der Leipziger Buchmesse und im Literaturhaus Berlin. 

Wolfgang G. Vögele ist immer noch rastlos recherchierend tätig. Wir von Themen der Zeit wünschen ihm, wie alle anderen Gratulanten aus nah und fern, darunter ganz sicher auch seine Tochter und drei Enkelkinder, noch viele Jahre Schaffenskraft und die dazu nötige Vitalität. Und wir bedanken uns auch an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich für die zahlreichen Artikel und Beiträge, die er uns immer sehr großzügig zur Verfügung gestellt hat.  

Eine Auswahl seiner Veröffentlichungen:
Wo stand das Mannheimer Weber-Haus? (Acta Mozartiana 2/1983)
Mannheimer Mozartiana (Acta Mozartiana 1/1984)
Dühren. Aus der Geschichte eines Kraichgaudorfs (Sinsheim 1988)
Daisbacher Chronik (Waibstadt 1993)
Rudolf Steiner in Mannheim. Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe, Heft 120 (Dornach 1998)
Der andere Rudolf Steiner. Augenzeugenberichte, Interviews, Karikaturen. (Dornach 2005)
"Ein tiefes Bedürfnis, das mich zu Ihnen treibt..." Zum Verhältnis Felix Weingartner – Rudolf Steiner. In: Schweizer Jahrbuch für Musikwissenschaft. Neue Folge 27, 2007
"Sie Mensch von einem Menschen!". Rudolf Steiner in Anekdoten (Dornach 2012)
Beiträge für den Sammelband Bodo von Plato (Hg.): Anthroposophie im 20. Jahrhundert. Ein Kulturimpuls 
in biographischen Porträts. Dornach 2003.

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